Dinghy Schnellauslösung

Rüm Hart hat am Heck schwer zu tragen. 30 Kilo um genau zu sein. Das ist so ungefähr das Gewicht des Gummischnullis, das achtern quer in den Davits hängt. Hat sich auf der Ostseereise 2015 und beim Englandtörn 2019 sehr bewährt.

Folgende Überlegungen haben mich über einen Ausbau des Systems zu einer Notfall- bzw MOB-Fall-Hilfe nachdenken lassen:

Oft bin ich allein an Bord, manchmal aber auch mit Sigrid, die – man muss es an dieser Stelle so formulieren – in einer MOB-Situation, ich im Wasser, sie allein an Bord, völlig überfordert wäre. Also müssen die anzutrainierenden Handgriffe für sie 1. wenige und 2. möglichst simpele sein. Und so kam ich drauf, das Beiboot als Rettungsfloß einzusetzen, wenn man es denn unkompliziert und sehr schnell ins Wasser bringen könnte. Und – wichtig! – wenn der MOB handlungsfähig bleibt.

Das Ergebnis: ein Dinghy Quick Release System oder besser auf Deutsch: Gummischnulli Schnellabwurf. So sieht das Ganze von oben aus:

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Dabei sind:

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a): ein Alurohr mit Spibaumbeschlägen an beiden Enden

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b): Reißleine, die in der Mitte des Alurohres nach links und rechts zu den beiden Spibaumbeschlägen als 2:1 Talje umgelenkt ist und bei kräftigem Zug beide Spibaumbolzen zurückzieht. Diese blau-gelbe Strippe hängt bei uns permanent griffbereit auf der Achterkante des Cockpits

c): die 4 Tragegurte in denen das Beiboot hängt, 2 an jedem Ende, am unteren Ende sind Schnappschäkel und am oberen Triangeln fest eingenäht

d): 2 Quergurte, die nur die Aufgabe haben, das Beiboot bei Lage oder im Seegang zu stabilisieren, um ein Hin- und Herschwenken am Heck des Mutterschiffes zu verhindern, ohne das Schnellabwurfsystem dabei zu stören. Sie umschlingen die Tragegurte c) und laufen dann zum Heckkorb. Mit der eigentlichen Schnellauslösung haben sie also nichts zu tun.P1040020 bearb klein beschr

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Weiterhin gehört eine Leinenrolle mit 160 m schwimmfähiger 6 mm Leine in gelb dazu. Die Rolle ist unter dem steuerbordseitigem „Schneewittchensitz“ angebracht. Das eine Ende ist fest mit dem Beiboot, das andere fest mit dem Mutterschiff verbunden.

Das Video unten demonstriert den Ablauf: im MOB-Fall reißt der an-Bord-Gebliebene an der blau-gelben Leine und öffnet dadurch die Spibaumbeschläge an beiden Enden des Alurohres. Die Tragegurte c) kommen frei und rutschen durch die Quergurte d) hindurch. Das Beiboot fällt ins Wasser, ist aber weiterhin über die 160 m Leine mit dem Schiff verbunden (das ist die gelbe, die Sigrid feshält). Wenn alles klappt treibt es achteraus, und der über-Bord-Gegangene hat hoffentlich eine Chance, die Leine greifen zu können. Ob er sich ins Beiboot ziehen kann erscheint mir zumindest zweifelhalft (muss ich nochmal probieren). Aber dran festhalten kann er sich.

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Einen ersten Ernstfalleinsatz hat das System bereits hinter sich. In Simrishamn lag ich ziemlich genau in Luv einer Jolle, die beim Segelbergen in Legerwall auf die Steinmole geraten war. Ich habe mein Beiboot ausgelöst und es an der langen, gelben Strippe achteraus treiben lassen. Prompt kam es genau bei den Havarierten an, die haben sich dran festgehalten und ich konnte sie zum Steg kurbeln.

Wichtig: es geht um Chancenerhöhung, nicht um Herstellung einer tausendprozentigen Sicherheit. Das ganze System ist in Verbindung mit meinem kompletten Sicherheitskonzept zu sehen:

  • beim Segeln wird immer eine Rettungsweste getragen
  • fest installierte Baumbremse
  • bevor das Boot ablegt werden Strecktaue geriggt, 1 Lifebelt liegt immer griffbereit im Cockpit

Dinghy Schnellauslösung

  1. Gute Idee und Umsetzung! Klappt das Auslösen denn auch wirklich zuverlässig immer auf beiden Seiten gleichzeitig, auch bei Schräglage? Nicht dass das Schlauchboot über dem Wasser schon irgendwie kippt.
    160 Meter Leine sind ganz schön lang. Bei viel Wind diese ausgerauschte Strecke wieder einzuholen halte ich für sportlich.
    Ich schleppe mein Dinghi immer etwa 20-30 m hinter mir her und habe mir ebenfalls so meine Gedanken zum Wiedereinstieg gemacht, wenn man im Wasser hängt. Möglicherweise hilft ein Knotenleine, die du quer durchs Boot ziehst, quasi von Steuerbord nach Backbord. Wie bei einer Rettungsinsel könntest du dich daran hineinziehen und würdest mehr Last auf die Gegenseite bringen und damit ein Umkippen erschweren.
    Ciao,
    Mo von der Zelda

    • Mo, bei so richtig Schräglage habe ich es noch nicht probiert. Da aber die Bolzen vollständig verschwinden, sollte das eigentlich klappen. Vielleicht komme ich dazu, es im Hafen mal mit künslicher Krängung zu testen.

      Geschätzt 100 der 160 m habe ich schon einmal in der oben beschriebenen Situation eingekurbelt. Bei durchaus robustem Wind. Das ging ganz gut und hat mich nicht überfordert, obwohl eine Jolle mit Crew dran hing. Aber zugegeben, es war im Hafen in der oben beschriebenen Situation.

      Und ja, eine Knotenleine muss man mal probieren. Oder eine kleine Klappleiter über’s Heck ….

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