10 Jahre Rüm Hart

Wie bloß könnte ich diesen Blogeintrag beginnen? Schließlich sollte ich aufpassen, dass ich mich zur Vermeidung von zu viel Pathos nicht in Banalitäten („wo sind nur die Jahre geblieben!“) flüchte.

An diesem Wochenende vor 10 Jahren, also am 13. und 14. August 2011 wurde Rüm Hart in Galamadammen getauft, von Lisa, unserer Mitteltochter, zu diesem Zweck eigens aus Neuseeland(!) angereist, unter Assistenz ihrer Geschwister Wibke und Ole. Es war eine bemerkenswerte Fete mit der Großfamilie und einem Haufen Freunde. Meinen persönlichen Zustand kann ich in der Erinnerung nur so zusammenfassen: schwebend, auf Wolke 7. Ich habe rückblickend Verständnis für mich, denn ganz unzweifelhaft ging damit ein Lebenstraum in Erfüllung, was der Leser vermutlich nur eingeschränkt ermessen kann. Vielleicht eher, wenn es gelänge, an dieser Stelle deutlich zu machen, welchen Wert das Segeln, das Leben auf dem Schiff und die Verbundenheit zum Wasser für mich haben. Wenn ich rüberbringen könnte, wie sehr der Traum von einem eigenen Schiff „auf dem man weit segeln und sogar schlafen kann“ seit frühesten sehr jugendlichen Jollenzeiten prägend war und mit jedem Besuch der „Hanseboot“ in Hamburg nicht eben kleiner wurde. Und wenn ich verständlich machen könnte, warum man Jahrzehnte lang für eine sehr wage Idee spart, in einer eventuellen Zukunft, in der hoffentlich die Arbeit mal weniger und freie Zeiten mehr werden. Ich glaube, ich lasse es besser bei diesen rhetorischen Andeutungen und hoffe einfach auf ein emphatisches Potenzial des Lesers …

2015 wunderschöne Ankerbucht an der schwedischen Ostküste

Rüm Hart ist ein sehr stabiles Schiff, eine schwimmende Trutzburg. Aber nicht nur durch ihre strukturelle Stärke und ihre ausgezeichneten Seeeigenschaften ist sie für Sigrid und mich ganz zweifellos ein zweites Zuhause geworden. Vor allem während meiner sechsmonatigen Ostseereise 2015, zu zwei Dritteln einhand, ist sie mit mir eine Symbiose eingegangen (siehe Kapitel 3, Ostsee, ab hier). Im Jahr danach, 2016, gab es sogar noch eine Steigerung, die gar nichts mit Segeln an sich zu tun hatte und die durchaus verzichtbar gewesen wäre. Sigrid hatte nach einer Krebsdiagnose mehrere Chemos zu durchstehen, und oft sind wir in dieser Zeit einfach nur zu Erholungszwecken zum Boot gefahren. An Segeln war überhaupt nicht zu denken, aber einfach nur ein paar Tage an Bord leben hatte einen solchen Wert für uns, dass unser Boot uns zum Kokon wurde. „Datscha-Tage“ war und ist der geflügelte Begriff dafür im Familienjargon. Was im Ergebnis dazu führte, dass wir heute noch – die schweren Zeiten sind längst erfolgreich abgehakt – selbst und gerade bei absolutem Schietwetter für ein paar Datscha-Tage zum Boot fahren und uns einfach nur einigeln. Sigrid ist sich übrigens heute sicher, dass ihr diese Erholungstage an Bord die Reha ersetzt und erspart haben. Was läge also eigentlich näher, als mit der Krankenkasse über eine angemessene Kostenbeteiligung zu sprechen … 🙂 .

2019 mit Ole an der englischen Ostküste

Ebenso gern wie mit Crew – Sigrid oder Sohn Ole – segele ich Rüm Hart allein, und nicht nur ich, auch Ole ist gern und so oft es der Beruf zulässt allein mit ihr unterwegs (überhaupt muss das vererbte Genmaterial sehr wässrig gewesen sein, denn auch beide Mädels haben eine ausgesprochene Affinität zum Wasser – die eine eher sportlich, die andere sogar beruflich). Rüm Hart ist für das Einhandsegeln das ideale Schiff: leicht zu segeln, im Hafen wendig und easy zu manövrieren und sehr sicher auf See. Durch den Decksalon kann ich mich auch nach drinnen zurückziehen und habe dennoch den vollen Überblick. Außerdem für das Solistensegeln unverzichtbar: Pinnensteuerung und ein sehr kräftiger Autopilot. Oft werde ich gefragt, ob ich bei einer Neubestellung irgendwas anders machen würde. Nichts! Rüm Hart 2 sähe genauso aus wie Rüm Hart 1.

2015 Anflug auf Turku, Finnland

Es hat im Detail so viele Erlebnisse gegeben, oft sehr kleine, manche aber auch von tragender Bedeutung, dass es immerhin für einen gewissen Füllgrad dieses Blogs reichte. Heißt: man kann alles nachlesen. Das Schreiben übers Segeln und vor allem über die Erlebnisse mit Rüm Hart ist ein wesentlicher Teil des Hobbys geworden.

Was werden die nächsten Jahre bringen? Werden es noch einmal zehn mit Rüm Hart werden? Ich wäre dann 77 … hm … bin sehr gespannt. Dank des Taufgeschenks von Patin Lisa, ein Hei Matau, ein neuseeländischer Angelhaken, Symbol für Glück, Stärke und sichere Reisen übers Wasser, habe ich keine Bedenken. Er hat seinen sicheren Platz im Salon und dort in den letzten 10 Jahren und weit über 10.000 Seemeilen zuverlässig seinen Job erledigt. Warum also nicht auch in der nächsten Dekade? Übrigens: dass die Firma Wempe dafür ein leeres Uhrengehäuse rausgerückt hat, hat sehr viel Überredungsenergie gekostet – einschließlich Ehrenschwur auf alle nautischen Götter, dass ich ganz bestimmt kein asiatisches Plagiat plane.

So, ihr dürft jetzt gratulieren – Rüm Hart zum Geburtstag und zu ihrem genialen Skipper 😉 , mir zum genialen Boot und zur besten Vorschoterin von allen … 🙂 . Und ihr solltet uns bitte die Daumen drücken, dass das mit den nächsten 10 Jahren auch klappt.

Vor 3 Tagen: Sonnenuntergang über dem Heeger Meer, Rüm Hart für die Nacht fest an der winzigen Insel Leijepolle

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