Bilderbuchstart …

… ja, so kann man es tatsächlich bezeichnen. Ich muss zugeben, dass ich Respekt vor dem Wattentörn hatte, aber das lief sowas von unspektakulär glatt. Ich hab’s genossen. Das Wetter war aber fast ideal dafür: wenig Wind, wolkenlos, kühl, gute Sicht. Gut, das mit der Sicht muss man etwas einschränken. Als ich in der Emsmündung rechts abbiege und über das Osterems-Watt gehe, wird es ganz schön diesig. Eine merkwürdige Mischung aus Sonne und Dunst, richtige Nebelschwaden ziehen über das Watt. Das Foto links zeigt es. Wenn man es anklickt und vergrößert erkennt man Juist im Hintergrund.

Und wenig Wind? War da nicht was mit segeln? Schon, so wird es zugegebenermaßen ein reiner Motortrip. Einerseits. Andererseits kann ich auf diese Art das offene Zeitfenster nutzen, das mir die Tide für die Querung von zwei Wattenhochs (besonders hohe Flachstellen) vorgibt. Unter Segeln könnte ich die dafür notwendige Geschwindigkeit bei diesem schwachen Wind nicht halten. Außerdem kommt das bisschen Wind auch noch aus Nordost. Auf dem Watt ist es „Pricken abhaken“. Man muss eigentlich nur schön ihren Bögen folgen und darf ja nicht abkürzen. Letzten endes ziemlich unspektakulär, ich habe nirgendwo weniger als 1,20 m Wasser unter den Kielen.

Später kommt endlich Norderney in Sicht. Genauer: die Westspitze mit der typischen Skyline. Eine Stunde später bin ich im Hafen und überlege, ob jetzt ein Kaffee oder ein Bier besser ist. Die Entscheidung wird mir von Hendrik abgenommen, er lädt mich auf ein kühles Dosengetränk zu sich an Bord ein. Lingener müssen zusammenhalten

Ich bin heilfroh, bis Norderney durchgezogen zu haben. Exakt 60,0 Seemeilen in gut 10 Stunden. Man hätte die Tour auch in Delfzijl unterbrechen können, aber dann hätte ich Samstag so richtig einen auf die Mütze bekommen. Hier kachelt es gestern und heute Nacht ziemlich ziemlich heftig, in Böen bis über 30 Knoten Wind.

Am frühen Freitagmorgen habe ich in Papenburg abgelegt und bin nach dem Schleusen im frühestens Sonnenlicht auf die Ems eingebogen. Ein Scheiß-Gefühl, von Sigrid für sooo lange Zeit Abschied nehmen zu müssen. Schon gestern, als ich für wahrscheinlich etliche Monate die Haustür hinter mir schloss, war das sehr merkwürdig. Bin gespannt, wie lange ich nicht mehr autofahren werde. Die Nacht an Bord habe ich kaum geschlafen – okay, ich geb’s zu, ich war etwas aufgeregt. Sigrid begleitet mich noch fotografisch ein kurzes Stück die Ems runter. Das oberste Foto ist von ihr. Von mir kann es ja auch nicht sein …

Das mit der Aufregung hat sich gelegt. Wer hier, im noch leeren Yachthafen von Norderney, nicht runterkommt, der hat ernsthafte Blutdruckprobleme oder sowas. Vorgestern Abend wurde die Steganlage gerade eingeschwommen und zusammengeschraubt. Ich mache an frisch verlegten Pontons fest. Am nächsten Morgen (Samstag) geht das weiter, ich muss erstmal mein Boot verholen, damit die Jungs weitermachen können. Spannend zuzuschauen. Jetzt bin ich grad völig allein in der großen, aber höchstens zu 10 Prozent belegten Marina.

Nach einem Spaziergang in einer Regenpause entdecke ich eine Sirius 35 ein paar Liegeplätze neben mir. Die „Naai ut“, ein seltenes Treffen. Den Besitzer lerne ich abends in der Hafenkneipe kennen. Er ist – wie ich – allein unterwegs, und beim Bier haben wir gut was zu klönen. Heute Nachmittag verabschiedet er sich und legt ab. Netter Kerl, ich werde in anderer Form noch mehr von ihm erzählen.

Jetzt sitze ich bei herrlichem Wetter (aber kühl) im Boot, schreibe, schaukele vor mich hin und warte auf Ole, der mit der letzten Fähre heute Abend nachkommt. Morgen früh laufen wir aus Richtung Cuxhaven. Wieder etwas über 60 Seemeilen, vielleicht auch 70. Ich werde berichten.

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