Zwischenruf 3

Ein Deutscher und eine Holländerin (jaja ich weiß: Niederländerin!…) haben mit ihren Autos einen heftigen Unfall. Autos Totalschaden, aber trotzdem entsteigen beide völlig unversehrt ihren Wracks.

„Mein Gott“ – sagt das Meisje – „dass wir beide unverletzt geblieben sind, also das ist ein Zeichen des Himmels. Wir gehören zusammen … !“ Der Deutsche – eben noch beim Knochensortieren – hört es verdaddert und hat gleich Fantasien.

„Und stell dir vor“ sagt sie, „ich hatte ne Flasche Genever auf dem Rücksitz liegen, selbst die ist noch heil. Darauf müssen wir einen trinken“ Noch während sich die deutschen Fantasien konkretisieren, reicht sie ihm den Buddel. Der setzt an, nimmt zwei-drei kräftige, hoffnungsvolle Schluck und gibt ihn zurück. Sie aber schraubt die Flasche wieder zu und stellt sie zurück ins Auto.

„Nanu …“ staunt der Deutsche „… trinkst du nichts?“
Sie lächelt – „nein, ich warte bis die Polizei hier war …“

Funktioniert natürlich auch umgekehrt, und Holländer-Deutsche Witze gibt es viele. Weil, angeblich mögen sie sich nicht, die Deutschen und die Niederländer. Nach offiziellem Vorurteil ist für einen Holländer ein Tag nur dann ein guter, wenn er einen Deutschen – sorry – beschissen hat. Das Vulgäre daran ist weniger die Wortwahl, als der Inhalt dieser weit verbreiteten Ansicht.

Seit meiner Kindheit bin ich immer wieder und in den letzten 20 Jahren regelmäßig in Holland. Es war Usus, dass meine Eltern mal eben schnell über die Grenze fuhren, um Kaffee und Käse einzukaufen. Und da die Süßigkeiten jenseits der Grenze viel süßer, bunter und fantasievoller waren, war die kurze Fahrt auch für mich eine Attraktion. Später waren es dann Meßdiener-Zeltlager, zum Beispiel in Loosdrecht, und 1973 war ich zum ersten Mal auf dem Ijsselmeer unterwegs. In all diesen Jahren gab es nicht eine Situation, in der ich irgendwelche Ressentiments gegenüber Deutschen gespürt hätte. Selbstverständlich bin ich nicht nur und ausschließlich auf super-freundliche Niederländer gestoßen, aber Deutschfeindlichkeit gab es nie.

Was es aber gab, war fremdschämen.

2008 lief ich Urk an und schlich unter Motor in den Yachthafen, um nach einem freien Liegeplatz, einer freien Box zu suchen. Man tastet sich dann vorsichtig in die Boxengassen, reckt den Hals, schielt nach links und rechts nach einem Platz und achtet ansonsten auf den regen Verkehr, weil man nicht der Einzige ist, der für die Nacht ein Plätzchen sucht. Mir entgegen kam ein großer Segler, Zweimaster, viel zu groß für den engen Hafen. ‚Er‘ kurbelte hinten am Steuer, ’sie‘ stand wie ein Schneemann auf dem Vordeck mit der Vorleine in der Hand. Völlig ungerührt benutzten sie meine Fahrwasserseite (auch in Häfen gibt es ein Rechtsfahrgebot) und zwangen mich, den Rückwärtsgang einzulegen und den Rückzug anzutreten. Offensichtlich ging ihnen das nicht schnell genug, denn plötzlich hörte ich ’sie‘ auf dem Vorschiff explodieren: „DU ARSCH, MACH DICH VOM ACKER, SIEHST DU NICHT DASS WIR QUERTREIBEN?! … In breitestem Rheinländisch, und die Großschreibung kann die gewählte Lautstärke nur andeuten. Nun ist die Akkustik auf Wasser immer hervorragend und so drehten sich sämtliche Crews im Hafen um und sahen zu, wie die Schneemann-Frau auf dem Vordeck mehr und mehr in Wallung kam. Ihre grobe Rhetorik war ihr Ventil – bis es ihrem Skipper zuviel wurde: „halt die Schnauze, siehst du nicht, dass die Anderen schon glotzen?!“

Nun ja … die meisten Deutschen im Hafen wollten wohl in ihren Schiffen versinken, andere schüttelten nur den Kopf. Einer aber zeigte Courage und gab dem Zweimaster-Skipper den trockenen Rat: „Weisste was, versenk deine Alte und versuch’s dann noch mal in einem anderen Hafen.“ Das wirkte und tatsächlich sah man sie fünf Minuten später wieder auf’s Ijsselmeer rausfahren – was „die Alte“ hoffentlich überlebt hat.

Ein Einzelfall. Ich habe einige solcher Einzelfälle erlebt, nicht alle so krass und oberpeinlich. Immer wieder ärgere ich mich zum Beispiel, wenn ich beim Bäcker oder im Restaurant erlebe, mit welcher Selbstverständlichkeit und teilweise auch Überheblichkeit einige meiner Landsleute die deutsche Sprache benutzen und regelrecht sauer werden, wenn man sie nicht sofort versteht. Mann, wir sind im Ausland! Wir sind Gäste! Uns stünde es gut an, wenn wir mit Feingefühl und Zurückhaltung aufträten. Sicher, vor allem in den Touristenhochburgen Frieslands sprechen sehr viele Niederländer Deutsch. Aber wir dürfen es doch nicht erwarten! Wir können nett fragen, ob man Deutsch versteht, oder auch Englisch. Im Notfall geht’s auch mit Händen und Füßen und mit Zeichensprache. Vor allem mit Freundlichkeit und einem Lächeln. Wie würden wir denn wohl reagieren, wenn – sagen wir – der Nordwesten Deutschlands regelmäßig zur Saison von Niederländern überflutet würde, die überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass wir kein Niederländisch sprechen …?

Das Plumpe an meinem Vortrag ist die Aneinanderreihung von Einzelfällen zu einer Verallgemeinerung, vor der ich mich zu hüten versuche. Ich weiß es. Und deshalb betone ich hier und jetzt, dass der 80-%ige Normalfall der ist, dass sich Niederländer und Deutsche in freundlicher Eintracht ein Wassersport-Paradies teilen. Die Niederländer als Hausherren – die Deutschen als ihre Gäste.

Wir brechen uns übrigens überhaupt keinen Zacken aus der Krone, wenn wir mal lernen, ein Bier auf Holländisch zu bestellen. Kommt gut an und tut nicht weh.

Und mit jedem weiteren ‚pilsje‘ fördern wir die Völkerverständigung!

Freundschaft – vriendschap!