Leinen los (2)

Fortsetzung in Sachen wiedergewonnener nautischer Mobilität, wie versprochen. Dieses Mal bin ich nach 3 Tagen wieder zurück an Bord – allein, ohne Sigrid. Bevor der Herbst anstrengend wird und Rüm Hart in den Winterhafen tuckert, will ich noch eine Runde Alleinsein genießen und vor allem segeln. Natürlich mit aller Zurückhaltung im Hinblick auf die kommende zweite medizinische Runde.

Das klappt dann schon mal „so richtig gut“, als ich mich – gerade im Heimathafen angekommen und noch keine 2 Stunden dort – so richtig auf die Schnauze lege. Sehr knapp kann ich verhindern, dabei über die Hafenkante zu gehen, aber linkes Bein und rechter Ellenbogen bekommen gut einen mit. Ich bin über eine hochstehende Gehweg-Betonplatte gestolpert und liege da nun. Meine Sorge gilt (in dieser Reihenfolge): Brille, Hörgeräte, Autoschlüssel, Geldbörse und Bewegungsfähigkeit. Alles noch da. Ich rappele mich auf, humpele an Bord und merke, dass mir das linke Hosenbein nass wird. Mist! Blut, und überhaupt sieht mein Flunken nicht gerade sexy aus. Ich verbinde mich mit den Möglichkeiten, die ich dafür an Bord habe und beschließe, das Auslaufen auf übermorgen zu verschieben, um meinem Bein einen Tag Ruhe zu gönnen.

Zwei Tage später werfe ich die Leinen los. Mit frischem Verbands- und Desinfektionsmaterial versorgt, meine ich, dass das gehen wird. Das Wetter nimmt schwer Rücksicht auf meine angedötschte Körperlichkeit und dreht den Windhahn zu. In den kommenden Tagen werden es wenig Segel- aber umso mehr Motorstunden werden.

Den Rest erzähle ich in Bildern. Bitteschön:

Ententeich – so ruhig sieht man das IJsselmeer selten, Nebel schleicht sich heran
Bei dem Wetter kann man das Frühstück ruhig auf nach dem Ablegen verschieben, Diesel und Autopilot übernehmen den Skipper-Job
In Medemblik ist mein Lieblingsplatz tatsächlich noch frei, als ich gegen 17 Uhr einlaufe, ein klares Zeichen für das nahende Saisonende
Der Blick nach oben zeigt es deutlich: der Herbst ist da

Auf dem Weg von Medemblik nach Enkhuizen bin ich etwas unaufmerksam, schnibbele die Landecke zu stark und gerate in die Flachwasserzone (blau). Normalerweise kein Problem, Rüm Hart hat ja schließlich nur 1,25 m Tiefgang, und dort sollten es 1,50 sein. Aber dennoch biegt mein Schiff auf einmal sanft aber entschieden nach rechts ab. Spontan denke ich an einen Fehler des Autopiloten, aber dann wird mir klar, dass ich mit dem Steuerbord-Kiel durch den Schlamm fahre. Ich rolle die Genua ein, der Nordwind ist eh kaum noch vorhanden (ich hatte schon Mühe, über 1 Knoten Geschwindigkeit zu bleiben). Unter Maschine ist es schließlich kein Problem, rechtwinklig nach Backbord aus dem Flach rauszufahren.

Herbst auch in Enkhuizen – na klar, was sonst, aber ich finde ja, dass die Farben wunderbar zu meiner tollen Pinne passen … 😀
bleiernes IJsselmeer auch am nächsten Tag auf dem Weg zurück nach Norden, null Komma null Wind

Da gaaaanz hinten, im Kanal nach Workum (wo ich immer sehr gern vor der Schleuse liege, erstes Schiff links), passiert es mir tatsächlich zum zweiten Mal in diesen Tagen, dass ich Grundberührung habe. Ganz leicht und nicht schlimm, aber doch spürbar. Was ist bloß los??? Die Aufklärung bekomme ich später vom Hafenmeister in Hindeloopen: das IJsselmeer wird bereits auf „Winterpeil“ gefahren, es sind 20 bis 30 cm weniger Wasser drin. Das ist nur teilweise eine Erklärung, aber nicht vollständig. Immerhin soll der Kanal überall rund 2 m tief sein.

Mein Bein sieht zwischenzeitlich so aus (links) und ist weitere 2 Tage später fast vollständig blau. Außerdem gewinnt es an Temperatur, offenbar macht sich eine Entzündung breit, und in meinen linken Schuh komme ich auch kaum noch rein. Ich beschließe abzubrechen und nach Hause zurückzufahren. Trost bekomme ich vom Damenbesuch an Bord. Mietzi – keine Ahnung, wie sie wirklich heißt, jedenfalls die Katze, die man ständig auf der Steganlage von Workum sieht, die einem aber sonst nur ihre majestätische Missachtung zeigt, – Miezi also kommt an Bord und ist ungewöhnlich nahbar, zutraulich und verschmust. Sie krabbelt mir auf den Schoß, als ich mit einem Anlegebier im Cockpit sitze, dreht sich zweimal um sich selbst und bricht fast in sich zusammen. Sie muss einen schweren Tag gehabt haben.

Nachtaufnahme von Stephan, Mala und Rüm Hart an der Pier von Hindeloopen

Aber vor derHeimfahrt treffe ich gleich um die Ecke, im Hylper Haven von Hindeloopen, noch Stephan und Gesche mit ihrer Mala. Wir haben uns verabredet und sehen uns viel zu selten. Die beiden haben ihren Heimathafen in Harlingen und sind eigentlich Wattensegler. Die Mala, eine Atlantic 36, ist dafür ein sehr geeignetes (und sehr seltenes) Schiff. Abends gehen wir zu dritt (plus Malas Bordhündin Mia) zum Asiaten. Sehr sehr lecker, aber ich bin nicht gut beieinander. Das Bein schmerzt, und ich bin heilfroh, als ich es später in meinem Salon von Kleidung befreien und hochlegen kann.

Das war’s für heute. Mit diesem Foto, ebenfalls von Stephan, mache ich Winkewinke, motore zurück nach Warns, in den Heimathafen, setze mich ins Auto und fahre nach Hause, um mein Bein und mich in ärztliche Behandlung zu geben. Mittlerweile erfolgreich. Ich gewinne wieder Schönheitswettbewerbe … 😆.