Na, wie isses denn so – allein … ?

P1000264 bearb kleinDIE am häufigsten gestellte Frage der letzten zwei Monate. Egal ob per Mail, PN oder persönlich am Steg. Ich versuche mal zu antworten.

Es ist herrlich, ganz ehrlich – und gleichzeitig schwindel ich dabei. Speziell habe ich eine Phase in Erinnerung, in der das Alleinsein zu einer mentalen Herausforderung wurde. Zeitlich kann ich es nicht mehr genau einsortieren (mein Zeitgefühlt ist ein bisschen auf der Strecke geblieben), aber örtlich: zwischen Gedser/Dänemark und Gislovs Läge/Schweden. Das Wetter war anspruchsvoll, nämlich starkwindig, rattenkalt und das Segeln kräftezehrend. In den Häfen war nichts, aber auch gar nichts los. In vielen war ich der einzige und ich glaube auch der erste Gast. In den Orten abends kein Mensch auf der Straße, Kneipen nicht vorhanden oder geschlossen.

In dieser Phase war es irgendwann nicht mehr Alleinsein, sondern Einsamkeit. Das Segeln tagsüber alleine ist nie ein Problem, da hast du genug um die Ohren. Aber wenn über eine – gefühlt – längere Zeit abends in den Häfen und den dazugehörigen Orten um acht das Licht ausgeknipst wird und du der einzige existierende Mensch zu sein scheinst, dann wird das irgendwann zu einer Belastung.

Gut, abgehakt, ab Ystad wurde es ziemlich schlagartig besser. Endlich wieder eine lebhafte Stadt, und es gab andere Segler, die genauso eingeweht waren wie ich. Noch in geringer Zahl, aber es entwickelten sich Steg- und Schicksalsgemeinschaften, aus denen Einladungen auf andere Schiffe oder Besuch auf der Rüm Hart resultierten. Und als in Simrishamn Sigrid an Bord kam, war das Thema sowieso gegessen. Dennoch bleibt die Erfahrung, dass die Saison hier oben nicht vor Anfang bis Mitte Juni beginnt. Sehr erstaunlich!

Also, ob alleine segeln toll oder weniger toll ist, hängt auch stark von äußeren Bedingungen ab, bei mir ist es vor allem das Wetter und speziell die Temperatur. Das Selbstverständnis des Seglers ist – kein Wunder – wetterfühlig. Seit Sigrid letzten Montag von Bord gegangen ist, habe ich das Solisten-Dasein kulitiviert und begonnen Häfen zu meiden. Und siehe da, beim Ankern in einer kuscheligen und traumhaften Bucht geht einem regelrecht das Herz auf. Dass parallel dazu auch die meteorologischen Bedingungen eine vorsichtige Ahnung von Juni aufkommen lassen, spielt ganz sicher eine wesentliche Rolle dabei. Wenn es kachelt und regnet und du ständig Sorge um die Haltekräfte deines Ankers hast, ist es vorbei mit innerer Entspannung.

Ansonsten: ja, es ist ein Geschenk, wenn deine Lieben zuhause dich vorübergehend aus der familiären Soziologie entlassen und du mit diesem plötzlichen Reichtum was anzufangen weißt. Du darfst entscheiden ohne zu diskutieren, ohne deine Beschlüsse verteidigen zu müssen. Und auf einmal müssen die gar nicht mehr diskutabel und für andere nachvollziehbar sein. Du allein musst mit ihnen zufrieden sein, das reicht. Das Bauchgefühl gewinnt an Bedeutung und die verblüffende Erkenntnis wie leistungsfähig es doch ist. Und in diesem Zusammenhang muss, nein darf man den Begriff „Entscheidung“ möglichst stark reduzieren. Es geht nicht darum, ob jetzt gerefft, oder ob der Kurs geändert werden muss. Nein, viel profaner. Jetzt den Kahn schrubben, oder erst noch zuende faulenzen? Kaffee oder Tee zum Keks? Bin ich müde genug für die Koje? Völlig egal wie spät es ist. Niemand Anderer ist da, der sich am schmutzigen Boot stört, der lieber Tee trinkt statt Kaffee, den ich störe wenn ich nachts um eins noch auf der Tastatur rumhacke.

Und keine Sorge, man verloddert nicht vollkommen, man wird nicht aller Strukturen verlustig. Man gewinnt neue – nämlich ureigene.

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Gestern musste ich wieder einen Hafen anlaufen. Loftahammar, um genau zu sein. Wasser musste gebunkert, die Voräte aufgefüllt, Müll entsorgt, Wäsche gewaschen und das Boot unbedingt von innen und außen gereinigt werden. Die Renovierung meiner selbst erschien mir im Spiegel auch immer dringender. Und prompt trifft sich ziemlich genau die Karavane von Booten und deren Crews wieder, die mich schon seit Tagen und Wochen lose begleiten. Da existiert mittlerweile ganz offenbar eine lockere, soziologische Verbindung. Ich beobachte, dass mir das wichtig ist. Und ich stelle fest, dass bei allen schönen Seiten des Alleinsegelns eines fehlt: Kommunikation. In der gesunden menschlichen Existenz auf Dauer unverzichtbar.

Karin und Reinhard von der „Windspiel“ mussten gestern dran glauben und kamen auf ein Bier an Bord. Ein sehr netter und unterhaltsamer Abend. Im Übrigen stelle ich aber auch fest, dass die Schweden offen auf freundliche Ansprache reagieren und durchweg sehr gut auf Englisch unterwegs sind. Bislang hatte ich ja immer erst gefragt ob man Englisch spreche. Das kann man sich hier sparen. Tun die alle.

Ergo: es geht mir sehr gut, und ich mache mich jetzt an die Ankerbuchten-Planung für die kommenden Tage.