Spielregeln

DSCN2015Im letzten Beitrag über die Reitersegler habe ich eine Andeutung bezüglich der Getränkeverbräuche während unserer Törns gemacht. Das mag bei dem einen oder anderen ernsthaften Segler Strinrunzeln, vielleicht auch – je nach Gemütslage – Schmunzeln ausgelöst haben. Also wird es Zeit für eine Klarstellung. Gleich auch eine gute Gelegenheit, ein paar Spielregeln zu erläutern. Die gibt es nämlich durchaus an Bord, wie im richtigen Leben halt. Das Schöne ist, dass diese Regeln vom Skipper selbst festgelegt werden können, ja sogar müssen. Im Falle der Reitersegler also von mir.

An dieser Stelle mag ein Wort über die Rolle des Skippers an Bord hilfreich sein – manche Crewmitglieder nennen ihn auch Sklaventreiber, Godfather oder Brüllaffe, je nach Art seiner Amtsausübung. Der Inhalt seines Amtes lässt sich hingegen in einem Wort zusammenfassen: Verantwortung. Vor dem Gesetz ist der Skipper eines Sportbootes letztenendes für alles verantwortlich, was an Bord geschieht. Zunächst auch für das Verhalten seiner Crew, deren Sicherheit und die der anderen Verkehrsteilnehmer. Schon so mancher Freizeitkapitän hat sich nach einem Unfall vor einem Seeamtsgericht wiedergefunden und sich einer detaillierten und hochnotpeinlichen Befragung von ehemaligen Berufskapitänen stellen müssen. Das Ergebnis hat natürlich immer auch einen haftungsrechtlichen und damit finanziellen Aspekt. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der generellen Einsicht, dass die Seefahrt an sich immer auch ein Gefahrenpotenzial mit sich bringt, ist es verständlich, dass der verantwortungsbewusste Skipper ein paar Bordregeln formuliert.

Hier also ein paar Beispiele:

P1000595Alkohol gibt es ausschließlich abends, nach dem Segeltörn! Nie während des Segelns selbst. Ok, mit einer winzigen Ausnahme: der Maschine-aus-Sherry. Das ist eigentlich der schönste Augenblick, wenn zu Beginn des Törns, nach dem Ablegen und dem Passieren der Hafenausfahrt in freiem Gewässer die Segel gesetzt sind, der „Jockel“ ausgeschaltet werden kann und akkustische Ruhe an BordP1000742 einkehrt. Kein Motorenlärm mehr, nur noch Wind- und Wassergeräusche und der Steuermann hat den Kurs anliegen. Der richtige Anlass für eine (!) Runde Sherry, natürlich mit dem erforderlichen Opfer für Neptun, der den ersten Schluck bekommt. Diese Tradition hat sich aber nur noch bei den Reiterseglern gehalten. Meine Kinder mögen keinen Sherry, und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass wir in Zukunft jeden Törn mit Rüm Hart mit einem lütten Andalusier beginnen.

Automatik-Schwimmwesten gibt es für jedes Crewmitglied an Bord. Tatsächlich angelegt werden sie spätestens auf Anweisung des Skippers. Das fängt bei mir so ab ca. 3-4 Windstärken an und hängt ansonsten stark von der Größe des Schiffes, dem Seegang, dem allgemeinen und dem zu erwarterenden Wetter und dem zu segelndem Kurs ab. Sobald ein Crewmitglied das schützende Cockpit verlassen muss, um nach vorn zum Mast oder aufs Vordeck zu gehen, gilt Schwimmwestenzwang bereits bei moderatesten Seegangs- und Windverhältnissen. Für Rüm Hart diskutieren wir derzeit strengere Schwimmwestenregeln.

P1030516Ein außerordentlich wichtiges Sicherheitsthema auf einem Segler ist es, das Überbordgehen unter allen Umständen zu verhindern. Es gehört schon eine riesige Portion Glück dazu, bei Windstärke 5 oder 6 und der dazugehörigen 2-Meterwelle eine über Bord gefallene Person nicht aus dem Auge zu verlieren, zu finden und wieder auffischen zu können. Was tagsüber vielleicht noch gelingt, ist nächtens quasi unmöglich. Deshalb gehört zu jeder Schwimmweste auch eine orangenfarbene Lifeline, mit der man sich an verschiedenen Stellen einpicken kann. Für den ab und an notwendigen Gang aufs Vorschiff habe ich lange Sicherheitsleinen gekauft, die vom Bug des Schiffes links und rechts am Mast vorbei bis nach achtern gespannt werden und in die sich derjenige, der nach vorn muss, mit seiner an der Schwimmweste befestigten Lifeline einpickt und sich wie an einer Laufleine gesichert bewegen kann. Ein sehr wirksames System – wenn es nur konsequent genutzt wird.

Andere Bordregeln haben weniger mit dem Verantwortungs- und Sicherheitsbewusstsein zu tun, sondern sind eher Verabredungen der Crewmitglieder untereinander. Zum Beispiel, dass der Koch von der unbeliebten Backschaft, also dem Beseitigen der kulinarischen Spuren, befreit ist und jetzt vor allem die Genießer seiner Kunst zum Zuge kommen. Oder auch dass unter Deck nicht geraucht wird, sondern höchstens an der frischen Luft im Cockpit. Wenn’s einem da nicht die Zigarette ausbläst.

In diesem Zusammenhang und so nebenbei sei schon mal verkündet, dass wir beschlossen haben, Rüm Hart komplett zur rauchfreien Zone zu erklären. Nur so lässt sich das maritime Vergnügen in seiner Vollkomenheit genießen – und unser Deck brandlochfrei erhalten. Schließlich ist für alle potenziellen Gäste jetzt noch Zeit genug, es sich abzugewöhnen. Anschließend werden sie uns ewig dankbar sein und Rüm Hart und seinen Skipper in ihr Abendgebet einschließen.