Zwischenruf 9 – Eine kurze Geschichte der Freundschaft *

Zwei Manfreds begegnen sich erstmalig virtuell in einem dieser wenigen seriösen und hilfreichen Seglerforen im Internet. Dabei stellen sie schnell fest, dass ihre Schiffe fast Nachbarn sind. In Holland ist die Hafendichte schließlich dem Wortsinn entsprechend: dicht! So treffen sie sich im Frühjahr 2012 das erste Mal persönlich auf einem ihrer Boote. Und sind sich auf Anhieb sympathisch. Beide haben eine ähnliche Gemengelage von ungefährem Alter, beruflicher Entwicklung, gesundheitlicher Einschränkung, familiärem Hintergrund und natürlich der Liebe zur Segelei und zur See. Selbst die Wohnorte sind nur wenig voneinander entfernt, beide in direkter Nähe zur holländischen Grenze. Einen Unterschied gibt es allerdings. Der eine Manfred hat erst kürzlich einen sehr umfangreichen und mehrmonatigen Ostsee-Törn abgeschlossen – wovon der andere Manfred noch träumt und woran er plant.

Über seine Ostseereise hat Manfred ein Buch geschrieben, lädt den anderen Manni auf sein Boot „umme Ecke“ ein, drückt es ihm in die Hand. „Da kannst du alles in Ruhe nachlesen“. Fertig, keine großen Worte. Bei dieser Gelegenheit zeigt der eine Manfred dem anderen „seinen“ Hafen. Klein, geschützt, gemütlich und offensichtlich voller kommunikativer Segler. Ein paar Wochen später sind Manfred und Sigrid mit ihrem Schiff umgezogen. „Kavenga“ und „Rüm Hart“ liegen nun am selben Steg.

Man lernt sich kennen, dann auch die Damen, leert abends in der Hafenkneipe das eine oder andere Bierglas im Gleichtakt, redet über Gott und die Welt und hat viel Spaß gemeinsam. Manchmal muss sich eine Freundschaft nicht erst entwickeln.

Am 15. September schließt Manfred sein Boot ab, geht zum Auto, setzt sich auf den Beifahrersitz und wartet auf seine Frau, die noch schnell die Gepäck-Handkarre zurückbringt. Als sie wieder kommt, ist Manfred tot. Herzinfarkt.

Der andere Manfred denkt darüber nach was das soll und hat sich endlich aufgerafft, diese Zeilen zu schreiben.

* „Eine kurze Geschichte der Zeit“, Stephen Hawking. Sehr lesenswert und irgendwie passend …