Zwischenruf 5 – Eine Gerechte

Eine Gerechte nannte der Pfarrer sie heute. Wie wahr! Eine Gerechte auf Erden, nicht nur im Sinne von Gerechtigkeit. Nein, sehr wohl auch im Sinne von Weisheit, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit und Lebensfreude. Sie liebte das Leben – 60 Jahre lang.

Von ihrem schlechten Zustand erfuhren wir erst vor 5 Tagen auf dem Lingener Kivelingsfest, als wir ihren Mann trafen. Bei einem Bier kam die Sprache auch auf unser Boot. Ein kurzer Moment, in dem sich sein Gesicht erhellte. „Leute …“ sagte er, „… richtig so! Macht es, genießt das Leben. Macht es jetzt, schiebt es nicht auf.“ Seine Gestik war energisch, sein Appell eindringlich, lebensbejahend und motivierend zugleich. Komisch, seit unserer Entscheidung für Rüm Hart war das nun das dritte Mal, dass ich eine solche Aufforderung von Freunden erhielt.

Die beiden haben in 42 gemeinsamen Jahren gemacht, haben nicht aufgeschoben. Und wenn ich heute bei diesem traurigen Anlass über sie nachdenke, fällt mir eines auf: Bescheidenheit und Lebensfreude schließen sich überhaupt nicht aus. Vielleicht bedingen sie sich sogar. 1996 trafen wir uns zufällig in Koudum, im Hafen De Kuilart. Sie waren mit ihrer Jolle und Zelt auf Wanderfahrt in Friesland und genossen das Leben und das Segeln. Sohnemann und ich brauchten dafür eine 25 Fuß Charteryacht.

Wir hatten uns in den letzten Jahren aus den Augen verloren. Ziemlich genau, seit ich aus dem Segelverein ausgetreten war. Wir hatten mitbekommen, dass sie vor ca. 3 Jahren an Brustkrebs erkrankte, aber erst jetzt erfuhren wir von ihm, dass sie auch noch Leukämie bekam und es sehr schlecht aussah. Heute war ihre Trauerfeier.

Eine Gerechte. Eine Rüm Hart.