Salzwasser-Taufe 2

 

DSC01098 Hin- u. Rückweg klein

Um gar nicht erst wieder den Schlendrian wochenlanger Schreibfaulheit einreißen zu lassen, gleich den Rückweg (blau in der Karte oben) hinterher. Wer Teil 1 noch nicht gelesen hat, bekommt den Rat, damit anzufangen.

DSC01077 Kopie kleinNach einer kleinen Fahrradtour durch Oudeschild (nix los, außer am Hafen) hatten wir den Pfingstsonntagabend an Bord verbracht. Ole kocht, Vadder spült hinterher ab und räumt auf. Die klassische, weil bewährte Aufgabenteilung.

Und eigentlich hätten wir am nächsten Morgen früh in die Puschen kommen müssen. Der Plan sah vor, dass wir heute nicht wieder die Schleuse Kornwerderzand nehmen, sondern bereits in Den Oever, am westlichen Ende des Abschlussdeiches ins Ijsselmeer einschleusen. Der wesentlich kürzere Weg durchs Watt. Niedrigwasser (NW) war bei Oudeschild um 7 Uhr 16. Zu dieser Zeit kann man noch mit grob einer halben Stunde Strömungsstillstand rechnen, bevor sich dann langsam ein Tidenstrom von West nach Ost aufbaut, der in der Mitte zwischen NW und HW am stärksten ist, allmählich wieder weniger wird und schließlich um die HW-Zeit herum wieder für rund eine Stunde fast bis ganz zum Stillwasser wird. Und dann gehts zurück von Ost nach West – hin und her, im regelmäßigen Takt von 6 Stunden und rund 12 Minuten zwischen NW und HW.

Für die relativ kurze Reise nach Den Oever hatte ich mal so ca. 2 1/2 Stunden gerechnet, für rund 11 Seemeilen nicht zu wenig, vor allem wenn die mitlaufende Tide auch noch mehr oder weniger kräftig mitschieben soll. Womit bis in den frühen Nachmittag zu rechnen war, denn HW an der Schleuse Den Oever sollte erst um halb drei sein.

DSC01100Soweit die Theorie. Die Praxis – man ahnt es – sah eine neue Erfahrung für uns vor. Na ja, eigentlich zwei. Erstens nämlich diese, dass „heldenhaft-siegreicher“ Überschwang vom Vortag eine geringe Halbwertzeit hat und schon gar nicht zu einer übertriebenen Lockerheit in der Routenplanung führen darf. Und dass Nachdenken hilft. Und dass vorher Nachdenken am besten hilft.

Und die zweite Erfahrung? Nun ja … ich hätte drauf kommen müssen … Wasser ist ein sehr eigenwilliges Element und läuft prompt nicht nur von West (in diesem Fall das Gatt zwischen der Südspitze Texels und dem Festland bei Den Helder) nach Osten, sondern war an diesem Pfingstmontagmorgen im Jahre des Herrn 2012 doch tatsächlich auf die Idee gekommen, auch das gerade leere Watt an der Innenseite von Texel zu füllen. Heißt: es kam vom ihm (von mir) zugedachten Weg ab und lief auch glatt noch nach Nordost, an der Wattseite von Texel längs.

DSC01066 Kopie kleinOle lacht sich schief, weil wir auf unserem Weg nach Süden soviel Gegenstrom haben, dass wir zwar mit kräftiger Fahrt durchs Wasser, aber dennoch in Navigator-entblößender Realität auf der Stelle segeln. In der Peilung zu einem markanten Haus an der texelschen Küste kommen wir nicht einen Meter vorwärts. Was auch unsere GPS-Daten mit etwas stillerem Spott bestätigen.

Das hatte ich von meiner Trödelei am Morgen! Wären wir pünktlich zu NW-Zeiten, also gegen sieben vom Acker gekommen, hätte Rüm Hart die (Watten-)Meere wie nichts durchpflügt. Aber: so’n Segelschiff hat ja meistens nicht nur Segel. Also wurde der praktischerweise dieselbetriebene Warpantrieb gezündet und sorgte bis zum Linksabbiegen südlich des ‚Bollen‘ für anständiges Vorankommen. Volle Segelfläche plus 1.800 gedieselte Umdrehungen waren nötig um 3 Knoten zu schaffen.

DSC01032 Kopie kleinDer Rest ist schnell erzählt. Als wir erst einmal vom Südkurs in den Ostkurs einbiegen konnten, war auch diese Lektion überstanden und es ging reibungslos, flott und ohne Diesel-Warp voran. Mittags hatte uns, nach fast einstündiger Wartezeit vor der Schleuse, das Ijsselmeer wieder, und die verbleibenden 2 Stunden bis zum Heimathafen Stavoren waren Routine. Ole döste im Salon ein Mittagsschläfchen, nachdem er rechtzeitig vom Code-0 auf die Genua gewechselt hatte. Ich genoss die durch nichts zu ersetztende Tiefenentspannungsatmosphäre als Wachhabender im Cockpit bei mittlerweile dichter Wolkendecke und zunehmendem Wind auf 17 Knoten und mehr.

Auch die Mist-es-ist-schon-wieder-vorbei-Wehmut ist schon fast Routine.

Wattenmap 2 Kopie