Watt iss’n AIS?

Nein, keine Angst, ich komm jetzt nicht mit der Feuerzangenbowle und der Dampfmaschin‘. Nach dem letzten Beitrag allerdings bin ich von Nichtseglern gefragt worden, was denn bitteschön ein AIS ist. Da pack ich doch den Erklärbär aus und zeige frische Fotos (bitte anklicken zum Vergrößern) von einem drei-Tage-Törn, von dem ich heute Mittag wieder nach Hause zurückgekehrt bin. Auf dem IJsselmeer natürlich.

Ein Schatten auf Kollisionskurs

Also. Ich bin am Donnerstag ziemlich früh unterwegs von Medemblik an der Westküste und will nach Lemmer, genau gegenüber. Kaum Wind übrigens, also fast nur unter Maschine. Gerade habe ich die künstliche Vogelschutzinsel de Kreupel umkurvt, da taucht an meiner Backbordseite etwas im Dunst auf, ein länglicher Schatten zunächst (siehe Foto oben, Bildmitte). Aber der Schatten ist auf Kollisionskurs.

Mein Plotter (Navi-Bildschirm wie im Auto, nur größer) zeigt das so an (s. o.): Der schwarze Pfeil ziemlich exakt in Bildmitte ist Rüm Hart, von links kommend (schwarze Tracklinie), nach rechts fahrend (blaue Kurslinie). Der „Gegner“ wird als Dreieck am oberen Bildrand genau über der Rüm Hart dargestellt. Man sieht, dass beide Kurslinien sich kreuzen werden. Aber wo und wann und in welchem Abstand voneinander?

Neptun sei Dank ist der Kollege (eingeschränkt) informativ. Wenn ich ihn kurz antippe, erscheint ein Fenster mit einem Haufen Daten. Leider verrät uns er nicht allzuviel, aber unten links erfahren wir, dass die Distanz noch 0,7 Seemeilen beträgt, der CPA (closest point of approach = dichteste Annäherung) 82,2 Meter betragen wird und zwar in 7 Minuten und 3 Sekunden. Und rechts sehen wir z. B. auch, dass er mit 7,7 Knoten unterwegs ist (SOG = speed over ground = Geschwindigkeit über Grund) und einen Kurs von 133° fährt.

Woher weiß der Plotter das alles? Von diesem schlauen Kästchen unter Deck. Das wiederum ist mit der Funkantenne oben auf dem Masttop verbunden und empfängt die Signale des / der Kollegen. AIS-Signale sind nämlich nichts anderes als spezielle Funk-Signale, die über die normalen Funkantennen in kurzen (Berufschifffahrt) oder etwas längeren (Sportschifffahrt) Abständen in den Äther geschickt werden. Und das sind wahre Info-Pakete. Rüm Harts schlaues Kästchen empfängt nicht nur, sondern sendet auch welche, und ich bin sicher, dass der Käpt’n in seinem Ruderhaus mich genauso auf dem Schirm hatte.

So, was fängt man damit jetzt an? Ein Abstand von 82 Meter, den wir in rund 7 Minuten zueinander haben sollen, ist mir zu gering. Und um ihn gar nicht erst in Verlegenheit zu bringen ändere ich meinen Kurs so frühzeitig und deutlich, dass es keine Missverständnisse geben kann und gehe hinter seinem Heck durch (siehe Titelfoto ganz oben). Was übrigens auf meinem Plotter fast wie eine Kollision aussieht 🙂 . Der Maßstab macht’s.

Ostsee 2015

Ein anderes gutes Beipiel ist diese Situation von meinem Ostseetörn im letzten Jahr. An der Südwestküste Schwedens gibt es einen regelrechten Kreisverkehr in den Seefahrtswegen der großen Pötte. Der Frachter da oben auf dem Foto kam von Norden, genau auf mich zu. Aber seine AIS-Signale sagten mir, dass sein Bestimmungsort Helsinki sei. Der würde also nicht nach Süden durchfahren, sondern abbiegen und ebenfalls (so wie ich) auf Ostkurs gehen und mir nicht in die Quere kommen. Und ich ihm nicht.

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Beide Fotos, vom Dampfer und vom Plotter, wurden im Sekundenabstand aufgenommen, sind also zeitlich deckungsgleich. Die Darstellung mag übrigens täuschen: Der Abstand war tatsächlich 4,64 Seemeilen, ungefähr 8 km. Trotzdem, die Großen sind da gern mal mit 20 Knoten unterwegs, da ist eine gefährliche Annäherung ruckzuck da. Übrigens ist die „Stange“ in Daumenbreite rechts von ihm ein nicht ganz kleiner Leuchtturm und die Mitte des Kreisverkehrs.

Ach ja, muss ich noch erwähnen, dass AIS Automatic Identification System heißt?

War’s jetzt zu technisch? Okay, hier ist ein Ausgleich: die neueste Kolumne für die segeln. Viel Spaß